Richard und Alice Amalie Capell

Richard Capell  

Geboren am 16.05.1880 in Hannover als Sohn von Lambert Capell (Kaufmann) und Sofie Capell, geb. Rosenthal.
Abschluss der Schule mit „Berechtigung zum 1-jährigen“ (d.h. wahrscheinlich mittlere Reife).
Anschließend kaufmännische Lehre in Hamburg.
Laut Ergänzungskarte aus der Volkszählung vom 17.05.1939 hat R. Capell weder an einer Fachhochschule noch an einer Hochschule studiert.
Mehrjähriger Aufenthalt in Russland in verschiedenen kaufmännischen Berufen.
1902 Eintritt in die Liebes und Teichtner AG, Leipzig; ab 1912 Direktor bis zu seinem Austritt (ca. 1926).
Heiratet am 26.06.1913 Alice Amalie Fiegel, die am 17.03.1888 als Tochter von Bruno Fiegel (Kaufmann) und Minna Fiegel, geb. Cohn, in Berlin geboren wurde und in Charlottenburg in der Bleibtreustraße 31 wohnhaft war.
Teilnahme am 1. Weltkrieg als „ungedienter Landsturmmann“.
1919 Gründung einer eigenen Firma in Berlin.
Am 20.12.1923 als Handelsrichter am Landgericht III in Berlin vereidigt und dort tätig bis Anfang 1933. Während dieser Zeit nimmt er z.T. mehrmonatige Auszeiten von seinem Richteramt, was ihm lt. Personalakte die Frage des Landgerichtspräsidenten einbringt, ob er seine dienstlichen Verpflichtungen als Handelsrichter mit seinen privaten Angelegenheiten zeitlich in Einklang bringen kann und dass er vom Recht der Selbstbeurlaubung weniger Gebrauch machen solle.
In den 20´er-Jahren bis Anfang 1933 wohnhaft in Berlin W50, Spichernstraße 10.
Um 1927 Eintritt in die Fa. Hugo Sensch in Berlin S.O. 16, die Kalender, Plakate, Kataloge, Ledernotes und Brieftaschen sowie „vornehme Leder-, Reklame- und Zugabeartikel für Gross-Industrie, Banken und Versicherungsgesellschaften“ herstellte (zeitgleich Austritt aus der Liebes und Teichtner AG?).

Richard Capell war Kaufmann und sehr vermögend. Auf seinen weiten Reisen über 30 Jahre (so z.B. 1928 ein 3-monatiger geschäftlicher Aufenthalt in den USA) hat er immer wieder verschiedenartigste Kunstwerke erworben und so eine imposante Sammlung zusammengetragen. Aufgrund seines endgültigen Umzugs aus seiner Stadtwohnung in seine „Besitzung in Wannsee“ (so der Versteigerungskatalog) trennt er sich von einem Teil seiner Sammlung im Rahmen einer Auktion und so versteigerte das „Internationale Kunst- und Auktionshaus“ in Berlin am 05.05.1931 insgesamt 563 (!) Stücke seiner Sammlung von Keramiken und Glas deutscher und holländischer Manufakturen, Plastiken der Gotik und des Barocks sowie antike Möbel und Perserteppiche und Bilder (u.a. ein mit dem Namen „Rembrandt“ signiertes Bild von Benjamin Cuyp).

Am 03.04.1933 – also nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten – wird er vom Präsidenten des Landgerichts „mit Rücksicht auf die gegenwärtigen politischen Verhältnisse und der Voraussetzung seines Einverständnisses bis auf Weiteres beurlaubt“.

Ein Vermerk in seiner Personalakte am Landgericht von Mitte 1933 besagt: „Nach §5 des Gesetzes über das Gerichtswesen in Berlin vom 01.06.1933 – RGBL S.329 – war die Amtszeit des Handelsrichters Capell beim Landgericht III in Berlin mit Ablauf des 14.07.1933 beendet. Eine Neuernennung des Genannten beim Landgericht Berlin ist nicht erfolgt. Akten weglegen, 1965 vernichten.“

1933 Umzug von der Stadtwohnung nach Wannsee in die Robertstraße 3-4 (heutige Scabellstraße).

Mit Schreiben vom 31.10.1938 bittet R. Capell den Präsidenten des Landgerichts, zu bestätigen dass er von 11.12.1923 bis 1933 als Handelsrichter tätig war, da ihm dies bei der Suche nach einer Arbeit, sprich den Bewerbungen hilfreich sei.

Lt. Aussage  von Ida Roding, geb. Fiegel (Schwester von Alice Amalie Capell) nach dem Krieg ggü. dem Wiedergutmachungsamt war R. Capell als Jude zum Zeitpunkt der Zwangsenteignung seiner Frau in 1939 bereits in ein Konzentrationslager eingeliefert worden.

Das Beisetzungsregister des Jüdischen Friedhofs in Berlin-Weißensee besagt, dass R. Capell am 19.11.1940 verstorben ist. Als Todesursache wird „Paralyse“ angegeben. Der Todesort ist in der Kartei des Beisetzungsregisters leider unleserlich; dort heisst es: „Abholung am 20. November vom Lazarett (???gef. – Abkürzung für Gefängnis?). R. Capell wurde eingeäschert, die Beisetzung erfolgte am 22.11.1940 in Grab Nr. 104405 des Jüdischen Friedhofs in Berlin-Weissensee (leider ist kein genauer Ort, sprich Feld, Abteilung und Reihe sowie auch keine weiteren Hinterbliebenen angegeben).

 

 

Alice Amalie Capell   

Geboren am 17.03.1888 in Berlin als Tochter von Bruno Fiegel (Kaufmann) und Minna Fiegel, geb. Cohn.
Wohnte in Charlottenburg in der Bleibtreustraße 31.
Geschwister waren Paul Fiegel (*12.11.1881 in Berlin / +12.01.1947 in Sydney), Max Fiegel (*06.07.1883 in Berlin / +14.08.1968 in Tokyo) und Ida Fiegel (*15.03.1890 / verheiratet mit Wilhelm Kuhnle sowie nach 1945 in Südafrika mit einem Herrn Roding).

„Mosaischen Glaubens“; ohne Beruf.

Heiratet Richard Capell am 26.06.1913.

Lt. Aussage ihrer Schwester, Ida Roding, wohnte A. Capell im Zeitraum 30.01.1933 bis 1939 wohnhaft in Wannsee in der Robertstraße 3-4 (heutige Scabellstrasse), danach Umzug bzw. Zwangseinweisung in die Frobenstraße 1 in Berlin W35, (wahrscheinlich eines der seit 1939 errichteten sogenannten Judenhäuser“). In der Frobenstraße, wo sie bis zu ihrem Freitot wohnte, teilte sie sich gemeinsam mit 3 ihr fremden Personen (Olga Pollack, ..?.. Sander und ..?.. Globauer) eine 3½  Zimmer-Wohnung mit Küche und Bad.

Am 06.061942 begeht Alice Capell in der Frobenstraße Selbstmord.

Als Nachlasspfleger in der „Selbstmordsache Alice Sara Capell“ wurde der Rechtsanwalt und Notar Robert Zelle, Berlin W35, Potsdamer Straße 162 eingesetzt, der im Rahmen des „Gesetzes über die Einziehung kommunistischen Vermögens vom 26.05.1933 und des Gesetzes zur Einziehung von volks- und staatsfeindlichem Vermögen“ vom 14.07.1933 sowie  des „Erlasses des Führers und Reichskanzlers über die Verwertung des eingezogenen Vermögens von Reichsfeinden“ vom 29.05.1941 das Vermögen von A. Capell „zugunsten des Deutschen Reiches“ beschlagnahmte.

Richard und Alice Capell waren sehr vermögend. Das Nachlassverzeichnis vom 25.09.1942, erstellt von R. Zelle, umfasst:

177.555,20 RM      Wertpapiere bei der Reichs-Kredit-Gesellschaft AG                                  
1.315,51 RM          Guthaben bei der Reichs-Kredit-Gesellschaft AG                                     
6.416,00 RM          Haus- und Küchengeräte                                                                               
110,00 RM             Sachen des persönlichen Bedarfs                                                           
- 8.673,90 RM        Forderungen der Jüdischen Kultusvereinigung Berlin N4, Oranienburger Str.                                                                            
- 60,00 RM             Forderung der Olga Sara Pollak für ausstehende Miete für 08/1942             
- 130,00 RM           Forderung des Versteigerers W. Hauer

Dem Reichsminister der Finanzen wurde am 10.07.1944 ein Verwertungserlös des Capell-Vermögens in Höhe von 182.130,97 RM mitgeteilt.

Mit Schreiben vom 13.10.1942 fragte R. Zelle beim Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg / Vermögensstelle an, ob er die Forderung der Jüdischen Kultusvereinigung über 6.6693,90 RM Begräbniskosten sowie 1.980 RM ausstehende Steuern begleichen darf und was er mit dem Erlös aus der Versteigerung der Möbel in Höhe von 7.435,89 RM tun soll.

Nach dem Krieg wurden verschiedene Anträge auf Entschädigung bzw. Wiedergutmachung gestellt.

Am 21.02.1948 erfragte Max Fiegel, ein Bruder von Alice Capell, bei den Behörden wie hoch der Verkaufserlös des Grundstücks in Berlin, Robertstraße 3-4 sowie der Versteigerungserlös des Inventars war. Vertreten wird er in seinem Entschädigungsantrag durch Willi Schweig („Custodian of Properties Confiscated or Sold in Greater Berlin Appointed by the Allied Military Government“).

Am 08.01.1950 schrieb H. H. Kochmann (Maida Vale 7527, 5 Fairhazel Mansions, London N.W.6) im Namen von Erna Fiegel und Bernhard Fiegel als „nahe Verwandte“ an den Treuhänder der Alliierten Militärregierungen (Nürnberger Straße 53-55, Berlin W30) und bat um Auskunft darüber, was aus dem „Grundstück in Wannsee und der großen Anzahl wertvoller Bilder der 1941/42 durch Freitod verstorbenen Malwine Capell und Richard Capell“ geworden ist. Zugleich stellte er entsprechende Ansprüche im Namen seiner Klienten (da er den Namen der „nahen Verwandten“ mit „Malwine“ angibt und das genaue Todesdatum nicht kennt, scheint es sich eher um fernere als nahe Verwandte gehandelt zu haben).

Am 12.02.1955 stellten Ida Roding (Capetown, Südafrika), Max Fiegel (Tokyo, Japan) und Erna Fiegel (Sydney, Australien; geborene Hirschfeld und wahrscheinlich die Frau von Alice`s Bruder Paul Fiegel) gemeinsam einen Entschädigungsantrag.

In diesem erklärt Ida Roding an Eides statt und in Vertretung der anderen beiden Anspruchsteller, dass ihre Schwester Alice Capell folgende Gegenstände zwangsweise hat abgeben müssen:   

- Silberbesteck für 24 Personen                                                                                        
- silbernes Teeservice                                                                                                       
- silbernes Kaffeeservice                                                                                                          
- Perlenkette                                                                                                                                              
- Diamantring                                                                                                                                        
- Diamantnadel     

und bezifferte deren Wert auf insgesamt 11.300 DM.

Am 18.04.1957 zahlte der Senator für Finanzen, Sondervermögen und Bauverwaltung eine Entschädigung in Höhe von 10.835,60 DM für o.g. Wertgegenstände.

Am 22.11.1958 schließlich verfügte das Landgericht Berlin (Wiedergutmachungskammer), daß den 3 Antragstellern (Ida Roding, Max Fiegel und Erna Fiegel) eine Entschädigung in Höhe von 178.098 DM für die zwangskonfiszierten Wertpapiere und Konten bei der Reichs-Kredit-Gesellschaft AG zu zahlen ist.

 

Schlussbemerkung

Das Gros der Unterlagen handelt von der behördlichen Abwicklung der in den Tod bzw. Freitod Getriebenen, vom Einzug und der Verwertung des beschlagnahmten Vermögens während des Krieges sowie den Entschädigungsansprüchen der Hinterbliebenen nach dem Krieg.

Erfreulich ist, dass es nach dem Krieg zumindest eine finanzielle Gerechtigkeit gab, sprich eine Entschädigung für das enteignete Vermögen gezahlt wurde, auch wenn dies die menschliche Tragödie in keiner Weise aufwiegt.

Traurig ist, dass in all den Akten nichts über die Personen selbst gesagt wird. Wir wissen daher nicht wie Richard und Alice Capell aussahen, was ihre Hobbies waren, wo sie zur Schule gegangen sind, wer ihre Freunde waren. Vielleicht lässt sich diese Lücke schließen, wenn eines Tages sich Familienangehörige melden und persönliche Dinge beitragen.

 

Quellen

-    Bundesarchiv (Residentenliste / Unterlagen der Volkszählung vom 17.05.1939)
-    Landesarchiv Berlin
-    Brandenburgisches Landeshauptarchiv
-    Gedenkbuch Berlins der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus
-    Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum

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